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Kartenlesen: Vergütungsanspruch kann unter bestimmten Voraussetzungen bestehen

Vertragsrecht \ Urteil \ eingestellt am 27. 02. 2011

Unter bestimmten Voraussetzungen besteht auch ein Anspruch auf Vergütung für eine Leistung, die unter Einsatz übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten erbracht werden soll (hier: Lebensberatung in Verbindung mit Kartenlegen).

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Frau, die als Selbstständige mit Gewerbeanmeldung tätig ist und Lebensberatung („life coaching“) anbietet. Dabei erteilt sie ihre Ratschläge anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse. In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise wurde der Beklagte im September 2007 auf sie aufmerksam. In der Folgezeit legte die Frau ihm am Telefon in vielen Fällen zu verschiedenen – privaten und beruflichen – Lebensfragen die Karten und gab Ratschläge. Hierfür zahlte der Beklagte im Jahr 2008 mehr als 35.000 EUR. Als die Zahlung für die im Januar 2009 erbrachte „übernatürliche“ Leistung ausblieb, griff die Frau zur „irdischen“ Zahlungsklage. Ihre Klage über 6.723,50 EUR blieb jedoch in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Landgericht und Oberlandesgericht haben den geltend gemachten Vergütungsanspruch mit der Begründung verneint, dass die von der Frau versprochene Leistung auf den Gebrauch übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten gerichtet und damit objektiv unmöglich sei. Der Anspruch auf eine Gegenleistung (Entgelt) entfalle daher nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Der BGH hat zunächst die Annahme der Vorinstanzen gebilligt, dass die versprochene Leistung objektiv unmöglich sei. Eine Leistung sei objektiv unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden könne. So liege es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, „magischer“ oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten. Allerdings folge aus der objektiven Unmöglichkeit der versprochenen Leistung nicht zwingend, dass der Vergütungsanspruch entfalle. Die Vertragsparteien könnten im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich – gegen Entgelt – dazu verpflichte, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht zu beweisen seien, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprächen. „Erkaufe“ sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar sei, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen. Nach den Umständen des Falls liege die Annahme nicht fern, dass die Frau nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen könne, dass die „Tauglichkeit“ der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar sei.

Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dort müsse nun zunächst geklärt werden, ob ein solcher Willen der Parteien bestand. Weiterhin sei die bislang offengelassene Frage zu beantworten, ob die Vereinbarung der Parteien wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. In diesem Zusammenhang dürfe nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handele. Daher dürften in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten gestellt werden (BGH, III ZR 87/10).

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